Der KassandraKomplex

Nach Motiven der Erzählung „Kassandra“ von  Christa Wolf

Premiere: Januar 2009

Die Kassandrarufe der Frauen in der Welt sind ungebrochen und verhallen nur zu oft ungehört – eine Erfahrung, die Frauen über Jahrtausende und über verschiedene Kulturen hinweg miteinander verbindet.
Unter dem Eindruck des kalten Krieges zwischen Ost und West, der Stationierung von Mittelstreckenraketen und der scheinbar nicht aufzuhaltenden Rüstungsspirale in Europa schrieb Christa Wolf im Jahre 1983 ihre wohl bekannteste Erzählung „Kassandra“. 

Kurz vor ihrer Ermordung im feindlichen Mykene erinnert sich Kassandra, die Seherin der griechischen Mythologie, in einem nicht abreißenden Gedankenstrom an die Jahre des trojanischen Krieges, an ihre Erfahrungen von Krieg, Schmerz und Gewalt. Immer wieder hatte sie die Mächtigen davor gewarnt, Machtzwängen, Wirtschaftsinteressen und Vergeltungsmechanismen nachzugeben, Gewalt vor Dialog und Krieg vor Versöhnung zu stellen. Sie sah den Untergang Troias und ihres Volkes voraus, doch niemand schenkte ihr Glauben.

Die Inszenierung „Der KassandraKomplex“ entstand nach Motiven der Erzählung von Christa Wolf, setzt jedoch an die Stelle des inneren Monologs einen Dialog zwischen zwei Menschen, einer Frau und einem Mann.
In einer Folge von szenischem Schauspiel und  Bewegungssequenzen entstehen vor dem Betrachter Schlüsselmomente aus der Geschichte der Seherin Kassandra. Sie kämpft mit den Waffen der Sprache gegen die Brutalität des Krieges. Immer wieder erfährt sie jedoch die eigene Sprachlosigkeit und die Verzweiflung an der nicht endenden Gewalt.

Dann wieder werden beide Schauspieler zu Menschen von heute – zu einer traumatisierten Frau aus einem der zahlreichen Krisengebiete der Welt, die um ihr seelisches Überleben kämpft. Und zu einem Mann, der ihr zuhört, sie zu verstehen versucht, sie zum Sprechen bringen will, sich für ihr Schicksal interessiert, und sich selbst immer mehr in die Konfrontation mit ihr verstrickt.

Eine israelische Schauspielerin und ein deutscher Schauspieler gehen in dieser Inszenierung auf eine gemeinsame Reise durch verschiedene Rollen, verschiedene Zeiten, verschiedene Kulturen, verschiedene Sprachen. Beide Schauspieler sprechen ihre Muttersprachen, Deutsch und Hebräisch. Die Realität des palästinensisch – israelischen Konfliktes und die historische Komponente der deutsch-jüdischen Vergangenheit sind so immer präsent. Der Betrachter wird mit den Mechanismen konfrontiert, die über Jahrtausende hinweg Leid, Krieg und Gewalt produzierten. So schrieb Christa Wolf „Wann Krieg beginnt, das kann man wissen, aber wann beginnt der Vorkrieg?“

In der Konfrontation mit der Geschichte Kassandras schauen die beiden Menschen auf der Bühne in die Abgründe der menschlichen Existenz, begegnen ihrer Verzweiflung und ihrer Hoffnung auf eine Alternative,
… denn  „Zwischen Töten und Sterben ist ein Drit­tes: Leben.“  (aus der Erzählung „Kassandra“)

Schauspiel: Ora Meirson (Israel), Fabian Sattler (Deutschland)
Regie: Yehuda Almagor
Dramaturgie: Ursula Almagor
Bearbeitung (Hebräisch, Deutsch): Yehuda und Ursula Almagor
Bühne: Joachim Damm
Musik: Amnon Beham
Regieassistenz: Peter Jagoda
Sprecherin: Ursula Almagor
Fotografie und Grafikdesign: Manfred Haupthoff

Eine Koproduktion mit dem Kulturbüro der Stadt Arnsberg.
Gefördert vom Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, der Stadt Arnsberg, Becker Druck Arnsberg und TOPAS Veranstaltungstechnik.